Ein Kredit- bzw. Kreditgeldsystem scheitert unausweichlich, sobald die immer neue und immer zusätzliche Kreditvergabe und Kreditnahme stockt bzw. gar abnimmt. – Es ist ein Kredit-auf-Kreditsystem, das sich qualitativ nicht mehr steigern, sondern nur noch über einen möglichst maximal andauernden Zeitraum aufrecht erhalten lässt.
Beitrag aus 2001 von Paul C. Martin – aktueller denn je…
Zur Klärung (und möglicherweise Scheidung) der Geister darf ich die von mir vertretene Darstellung und Analyse des heute aktuellen Kredit- bzw. Kreditgeldsystems noch ein Mal zusammen fassen, mit Waren- und Tauschgeldsystemen kurz vergleichen und zur Diskussion stellen:
1. Die heute real existierende Wirtschaft ist nicht Tauschen, sondern das Erfüllen von Kontrakten. Dies versteht sich ohnehin von selbst, da Tauschen ebenso Schuldrecht ist wie Kaufen.
2. Diese Kontrakte können auf Leistungen, Waren oder wiederum auf Kredite lauten. In historisch früheren Phasen gab es auch Kontrakte über Warengeld.
3. Es können jederzeit Waren gegen Waren getauscht werden. Geld kann bei solchen Vorgängen eine Rolle spielen, vorausgesetzt es ist selbst eine Ware bzw. “warenwerthaltig”. Dies ist heute weder bei ZB-Geld noch bei ZB-Guthaben der Fall.
4. In der Geschichte galt: Kredit/Schuld vor Ware, Warengeld, Schrift, usw. Kredite sind auch in einfachster numerischer Form vergeben und nachgewiesen. Das heutige Kredit- bzw. Kreditgeldsystem ist der Endpunkt einer langen historischen Entwicklung. Es ist ein Kredit-auf-Kreditsystem, das sich qualitativ nicht mehr steigern, sondern nur noch über einen möglichst maximal andauernden Zeitraum aufrecht erhalten lässt.
5. In der Geschichte wurde gemünztes oder in kleinere Einheiten zu zerbrechendes Warengeld nicht zur Erleichterung von Tauschvorgängen “erfunden”. Dieses Warengeld war ein Tauschgegenstand, kein Tauschmittel.
6. Der Weg Tausch Ware gegen Ware würde durch das Zwischenschieben eines Tauschmittels, das wiederum eine Ware ist (Warengeld) immer verlängert, nicht verkürzt.
7. Das Tauschen von Ware gegen Ware (mhd. “stechen”) ist nur in dem Sinne Kontrakterfüllung, indem sich beide verpflichten, das Vereinbarte zu leisten.
8. Das mhd. “tauschen” hatte die Bedeutung von “täuschen”, daher heute noch der “Rosstäuscher”.
9. Das heutige Geld ist eine zessionsfähig gemachte Schuld. Und zwar geht es um Gläubigerzession, nicht Schuldnerzession (die nur mit Zustimmung des Gläubigers möglich wäre).
10. Seine Zessionsfähigkeit erhält das heutige stoffwertlose Geld ausschließlich durch die Legaldefinition “gesetzliches Zahlungsmittel”.
11. Das “gesetzlich” bezieht sich darauf, das mit Hilfe dieses Geld “gesetzliche Verpflichtungen” (Steuern u.ä.) abgelöst werden können.
12. Geld in der Form vom Kredtitgeld ist entstanden, indem Schuldkontrakte zwischen A und B durch Sicherheitsleistung (Verpfändung) seitens eines C zedierfähig gemacht wurden.
13. Ein A/B-Kontrakt allein könnte ebenfalls Geld werden, wenn der Schuldner B seinerseits Eigentum als Sicherheit anbietet.
14. Da ein Schuldner durch seine Kreditnachfrage bereits in einer schlechteren Situation ist, setzt sich jenes Geld durch, das durch unbelastetes Eigentum eines Nichtschuldners C besichert ist.
15. Der Zins ergibt sich aus Zeitablauf . Das Herbeiholen eines Gegenstandes in die Gegenwart wird dabei individuell bewertet.
16. Die Vorstellung eines “Zinsniveaus” ist eine Verallgemeinerung, die der Tatsache, dass es bei jedem Kredit gesonderte Risiken bzw. Vorstellungen und/oder Zwänge von Kreditoren und Debitoren gibt, nicht gerecht wird.
17. Die Vorstellung eines “Erst”- oder “Urzinses” ist aus eben diesem Grund weder operational noch nachvollziehbar.
18. Auf den Zins kann seitens des Gläubigers verzichtet werden.
19. Bestrafungen, die sich aus der nicht termingerechten Erfüllung eines Kontraktes ergeben, können zwar, müssen aber nicht vereinbart werden (Zinseszins- bzw. “riba”-Phänomene und sich dagegen richtende Maßnahmen).
20. Auf einen Zins wird der bei einem A/B-Kontrakt Sicherheit leistende Nicht-Kontraktteilnehmer C allerdings kaum verzichten, da er sonst keinen Gegenwert für die Zurverfügungstellung seines unbelasteten Eigentums als Pfand erhielte.
21. Die Vereinbarung des Zinssatzes ist frei. Der Zinssatz ist nach oben offen – unbeschadet etwaiger “Wuchergesetze”.
22. Der Zins selbst kann nur realisiert (nicht hochgebucht!) werden, indem zusätzliches BIP erscheint.
23. Das Erscheinen von zusätzlichem BIP resultiert aus dem Zwang zu zusätzlicher Produktion, der sich aus den vorangegangenen Kontrakten ergibt.
24. Wird der Zins nicht durch Mehrprodukt erwirtschaft, kann er hochgebucht werden (Prolongation), sofern der/die Gläubiger einverstanden sind.
25. Schulden, die sich aus Kontrakten ergeben, können nur verschwinden, wenn die vereinbarte Leistung als endgültig angesehen wird. Normalfall: Konsum.
26. Wird die Leistung in Form von Warengeld oder eines neuen, vom Gläubiger akzeptierten Schuldtitels erbracht, ist die Schuld nicht erloschen. Sie wird in ein (weiter verwendbares) Gut bzw. zedierbares Guthaben des Gläubigers verwandelt.
27. Warengeld kann durch die Wandlung (Demonetisierung) desselben in eine Ware, z.B. Schmuck verschwinden. Und vice versa (Remonetisierung).
28. Kreditgeld kann beliebig oft zediert werden.
29. Kreditgeld, das mit Hilfe von Notenbanken zessionsfähig gemacht wurde, muss nach der Ablauf der Zeit seiner Zurverfügungstellung an die Notenbank zurückkehren.
30. Notenbanken vergeben niemals Kredite.
31. Notenbanken verleihen niemals Geld.
32. Notenbanken vermieten niemals Geld.
33. Ihre “Sätze” (Rediskont, Lombard, Tendersatz) sind Prämien für die Umwandlung von bereits existenten Schuldtiteln in “gesetzliches Zahlungsmittel”, ein Geschäft, das sie aufgrund ihres gesetzlich verbrieften Monopols betreiben können.
34. Die Notenbankprämien können nur realisiert werden, wenn in Höhe der Monopolprämie zusätzliche “gesetzliche Zahlungsmittel” geschaffen werden.
35. Die Schaffung zusätzlicher GZ ist nur durch zusätzliche Kredittitel möglich. In einem Kreditgeldsystem kann die Monopolprämie der Notenbank nur durch zusätzliche Kreditgeldschaffung bedient werden.
36. Es gibt keine Geldmengen, auch kein Geldvolumina, sondern nur Geldsummen.
37. Das von den Notenbanken geschaffene GZ selbst beeinflusst niemals das Preisniveau.
38. Das Preisniveau wird durch die Kredit- bzw. Schuldtitel verändert, die der Ausgabe von GZ zu Grund liegen.
39. Ein Kreditgeldsystem erzwingt eine andauernde Nettoneuverschuldung in mindestens der Höhe der Notenbank-Monopolprämie, siehe auch Nr. 35.
40. ZB-Geld kann niemals “umlaufen”. Jeder “Lauf” suggeriert eine falsche, da sachenrechtliche Vorstellung. ZB-Geld wird immer nur zediert; es ist ein eindeutig schuldrechtlicher Vorgang.
41. In einem Mix von Warengeld und Kreditgeld wie unter dem klassischen Goldstandard ist der Zinsfuss wie historisch belegt, niedriger (bzw. zeigt eine langfristig fallenden Tendenz) als in einem reinen Kreditgeldsystem – wie bei einer reinen Tauschwirtschaft ohne Vorfinanzierungskosten der jeweiligen Tauschgüter der Zins bei Null liegen muss.
42. Die Häufigkeit der Zessionsvorgänge können die Marktteilnehmer durch Variationen ihrer Angebotspreise beeinflussen. Das gesamte Preisniveau (realisierte Preise!) beeinflussen Zessionsvorgänge nicht.
43. Mit einem unter einem Kreditgeldsystem geschaffenen GZ kann mit der Summe des jeweilig aus Schuldtitel in GZ gewandelten Geldes immer nur eine gleich hohe Schuld getilgt werden.
44. Eine Mehrfachverwendung von GZ in dem Sinne, dass zunächst mit dem Schuldtitel selbst und dann ein weiteres Mal (oder sogar viele weitere Male) mit dem als GZ fungierendem, auf diesem Schuldtitel basierendem ZB-Geld “bezahlt” werden kann (sog. “Geldumlauf”) ist nicht möglich.
45. Da in einem Kreditsytem alle Produktion vorfinanziert werden muss, können nur die jeweils bei der Produktion anfallenden Kosten zu Einkommen werden und diese wiederum die Produktion vom Markt nehmen, vorausgesetzt Punkt 49 ist erfüllt.
46. Angebotspreise sind niemals realisierte Preise.
47. Die Kosten, die bei der Erstellung des Angebots entstehen (“Vorfinanzierung”, “Faktorkostensumme”) reichen niemals aus, um das Angebot zu den Angebotspreisen vom Markt zu nehmen.
48. Es gibt also niemals ein “gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht”.
49. Es fehlt immer Nachfrage in Höhe der nicht als Faktorkosten (zur Erstellung der Produktion) ausgekehrten Gewinn- bzw. Zinsforderungen. Diese Nachfrage kann nicht durch Mehrfachverwendung von ZB-Geld dargestellt werden.
50. Angebotspreise können nur zu realisierten Preisen werden, wenn in Höhe des Gewinn- und/oder Gewinnaufschlages zusätzliche Nettoneuverschuldungen statt finden.
51. Banken “verleihen” das ihnen eingezahlte Geld, indem sie die darin enthaltene Forderung zedieren. Dabei müssen sie darauf achten, dass sie eine positive Zinsmarge erzielen.
52. Banken können niemals Geld, aber jederzeit Kredit schaffen.
53. Schaffen sie Kredit, müssen sie diesen refinanzieren (Goldene Bankregel).
54. Geld, das jemand verleihen könnte, gibt es in einem Kreditgeldsystem nicht. Niemals. Einen Kredit kann man nicht verleihen. Er kann nur dazu dienen, auf diesen Kredit, der dann als Sicherheit dient, weitere Kredite zu türmen.
55. Ein Kredit- bzw. Kreditgeldsystem scheitert unausweichlich, sobald die immer neue und immer zusätzliche Kreditvergabe und Kreditnahme stockt bzw. gar abnimmt.
56. Wie hoch sich Kredite/Schulden bereits aufgetürmt haben, ist als solches zunächst unerheblich.
57. Entscheidend bleibt immer, ob diese Kredite/Schulden durch zusätzliche Kredite/Schulden am Leben erhalten werden.
58. Kommt es wegen der bereits existenten Höhe der Kredit- bzw. Schuldensummen zu einer Stockung bzw. einem Rückgang bei der Schaffung neuer Kredit- bzw. Schuldverhältnisse, ist der kritische Punkt des gesamten Systems erreicht (sog. “Überschuldung”).
59. Wird die Überschuldung allgemein, stürzen sämtliche bereits existenten Kredit- bzw. Schuldverhältnisse in sich zusammen.