Anarchie ist eine Regierungs- oder Verfassungsform, in der das öffentliche und private Bewusstsein, gebildet durch die Entwicklung von Wissenschaft und Gesetz, ganz allein genügt, um die Ordnung aufrechtzuerhalten und sämtliche Freiheiten zu garantieren. Infolgedessen verringern sich in ihr die Institutionen der Polizei, der Präventiv- und Repressionsmaßnahmen, der Bürokratie, der Besteuerung etc. auf ein Minimum. Insbesondere verschwinden die Formen der Monarchie und der intensiven Zentralisierung; sie werden ersetzt durch föderative Institutionen und eine auf der Kommune beruhende Lebensweise. Wenn Politik und häusliches Leben ein und dasselbe, wenn wirtschaftliche Probleme so gelöst worden sind, dass individuelle und kollektive Interessen übereinstimmen, dann – nachdem sich alle Zwänge aufgelöst haben – wird deutlich sein, dass wir uns in einem Zustand der uneingeschränkten Freiheit oder Anarchie befinden. [Tolstoi]
Interessanterweise, gab es diese Regierungsform bereits in Europa – und zwar – man höre und staune – im rückständigen und altmodischen Mittelalter, zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert. Ab dem 13. Jahrhundert wandten sich immer mehr Menschen gegen die feudalen Strukturen und gründeten die freien Städte. Dort war das Leben in Gilden organisiert – jeder spezialisierte sich auf ein bestimmtes Handwerk – beherrschte aber auch noch andere Handwerke, wenn auch weniger perfekt. Die Freiheit der Menschen in diesen Städten war legendär – wenn auch die medizinische Versorgung und Kanalisation unter aller Sau war. Das hat sich jedoch geändert. Was zum Teufel hindert uns daran, erneut die feudalen Strukturen der kapitalistischen Zentralstaaten abzuwerfen, sie einfach zu ignorieren und erneut autarke Gemeinschaften zu gründen?
Ich habe ganz bewusst den Teufel erwähnt, denn das, was uns davon abhält ist unsere teuflische Angewohnheit, nicht selbst zu denken, erkennen und zu handeln. Wir lassen denken und erkennen und uns zu zu einem bestimmten Handeln drängen. Das ist Unfreiheit in Reinkultur. Keine Partei oder sonstige Institution kann diesen Zustand ändern – nur DU ALLEIN! Was uns hindert ist unsere Bequemlichkeit, unser Wunsch nach Beständigkeit und Sicherheit. Aber das ist gegen das Leben. Wer genau hinschaut, sieht unzweifelhaft, dass Leben immer Bewegung ist. Bewegung bringt Veränderung und Veränderung erneute Bewegung. Leben ist, wenn es gesund ist, ein steter Wechsel von Anspannung und Entspannung. Und Sicherheit gibt es nicht – denn nichts ist unsicherer, als das Leben. Sicher ist nur eines: es gibt keine Sicherheit und keinen Stillstand.
Was es dafür braucht ist nur die Ehrlichkeit gegenüber sich selbst. Bist du noch Sklave oder lebst du schon? Die meisten werden antworten: ich lebe – und lügen damit. Denn wenn die Mehrheit leben würde, wären sie frei und selbstverantwortlich und unser Land ein anderes.
Die Gedankengänge zur Anarchie entstanden bereits im Altertum. Der eigentliche Begriff „Anarchie“ entstand erst im 19. Jahrhundert als Gegenbewegung und politisches Gegenkonzept zur Monarchie und zur Demokratie. Ursprünglich bedeutete Anarchie in der griechischen Antike die Abwesenheit des Alleinherrschers, abgeleitet vom Archonten, der nach dem Königreich eingeführt wurde.
Die Dichter Homer (8. Jahrhundert v. Chr.) und Herodot (490 bis etwa 420/25 v. Chr.) nennen Anarchia eine Gruppe Menschen oder Soldaten „ohne Anführer“. Bei Xenophon (um 580 bis 480 v. Chr.) wird der Begriff erstmals für Herrscherlosigkeit verwendet: die „Anarchia“ ist ein Zeitraum ohne obersten Staatsbeamten, den Archon. [Wikipedia]
Klar, dass Staaten Anarchisten bis aufs Blut bekämpfen und sie als Terroristen bezeichnen – dabei ist es genau anders herum: Der Staat ergreift das Mittel des Terrors, um die anarchistischen Staats-Schädlinge zu bekämpfen.
Sicherlich wird es keine Rückkehr zu mittelalterlichen Strukturen geben – zumindest wird es keine 1:1-Kopien geben. Aber wir können uns davon inspirieren lassen, können versuchen herauszufinden, wie man in Städten und auf dem Land unterschiedliche Kulturen der Autarkie und des Zusammenlebens schaffen kann. Eine Kommune kann wieder autark werden – wenn alle an einem Strang ziehen. Das hört sich utopisch an – aber ich sehe es genau anders herum. Utopisch ist es, anzunehmen, dass ein Staat wissen kann, was gut für seine Untertanen ist. Nur der Einzelne weiß, was gut für ihn ist – und seine Verantwortung besteht darin, diese Erkenntnis auch zu leben. Wer das nicht tut und alle Verantwortlichkeit auf andere Institutionen schiebt – der vergewaltigt sich selbst – und dafür ist nur er alleine verantwortlich.
Jeder ist frei – aber will jeder auch frei sein?