Michael Winkler: Silberknappheit
Silber ist eines der ältesten Metalle, das die Menschheit kennt. Wie Gold und Kupfer kommt es gelegentlich in der Natur gediegen vor, mit Zinn, Blei, Quecksilber, Eisen und Schwefel gehört es dem exklusiven Klub der seit dem Altertum bekannten Elemente an.
Silber war DAS Münzmetall der Menschheit, ob griechische Drachme, römische Sesterze, deutsche Pfennige und Taler, englische Pfund Sterling oder amerikanische Dollar – sie alle waren Silbermünzen. Gold war in dieser Zeit das, was heute ein 500-Euro-Schein ist: Jeder kennt ihn, jeder weiß, daß es ihn gibt, doch kaum jemand hat einen im Geldbeutel. Erst im 19. Jahrhundert wurde der Goldstandard eingeführt und Silber als das Maß aller Finanz-Dinge abgelöst. Es gab zwar noch Silbermünzen, in der Schweiz bis 1988, doch die Bezugseinheit war das Gold, jedenfalls bis 1971.
Heute ist Silber eine Ware und ein Industriemetall. Während Gold eigentlich nur herumliegt, muß Silber richtig arbeiten. In der vorindustriellen Gesellschaft wurden daraus Münzen geschlagen und Schmuck gefertigt, heute wird Silber als der beste elektrische und thermische Leiter eingesetzt. Silber hat antibakterielle Eigenschaften, weshalb man es mittlerweile in Socken, Unterwäsche und Deodorants findet. Eine weitere Anwendung, die traditionelle Photographie, spielt hingegen kaum noch eine Rolle.
Ich habe meinen ersten Artikel über Silber am 28.3.2007 geschrieben, aber schon am 1.12.2004 in “Altersvorsorge” auf die Anlage in Gold und Silber hingewiesen. In den Jahren seit 2004 haben sich Goldbesitzer durchweg über steigende Preise freuen dürfen, während Silber recht lustlos dahindümpelte. Erst seit etwa 2008 hat Silber aufgeholt, 2010 dann richtiggehend abgehoben.
In früheren Jahrhunderten wurde Silber hauptsächlich direkt gefördert, in den Silberbergwerken von Laurion, im Erzgebirge oder in Mexiko. Heute sind diese reinen Silberbergwerke weitgehend erschöpft, der größere Teil des gewonnen Silbers fällt bei der Förderung von Blei oder Kupfer an. Rein physikalisch gibt es 20mal soviel Silber wie Gold. Doch dazu gibt es noch mehr zu wissen: Gold ist etwa gleichverteilt, das heißt, wer tiefer gräbt, stößt immer wieder auf Goldvorkommen. Silber hingegen befindet sich in oberflächennahen Schichten. Die Weiterentwicklung der Bergbautechnik, die es erlaubt, in größere Tiefen vorzustoßen, erschließt folglich keine neuen Silberlager.
Gold kann wunderbar herumliegen, genau dafür wird es auch benutzt. Die 150.000 bis 160.000 Tonnen Gold, die seit Anbeginn der Menschheit gefördert worden sind, liegen zum größten Teil noch herum. Manche in Schiffswracks am Grunde des Ozeans, das meiste jedoch in Tresoren, Museen oder Schmuckschatullen reicher Damen. Ob es Ihr Ehering ist oder die Maske des Tut-ench-Amun, wenn man es braucht, liegt das Gold noch immer bereit. Die Millionen Tonnen Silber wurden dagegen verarbeitet. Schon seit vielen Jahren reicht die Silberförderung nicht aus, um den Bedarf zu decken, deshalb wurden und werden die Silberschätze der Zentralbanken gehoben und der Industrie zugeführt.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich es gelesen habe, aber es muß Anfang der 80er gewesen sein. Da haben sich die Banken in West-Berlin darüber gewundert, daß sie zahlreiche druckfrische Ostmark angedient bekommen haben. Ursache war Silbermangel in der DDR. Da wurden “Diplomaten” mit ganzen Koffern druckfrischer Ostmark in den Westen geschickt, um sie dort bei Banken in Westmark umzutauschen, was offiziell von der DDR gar nicht gerne gesehen wurde. Mit diesen D-Mark haben jene Herrschaften Silber gekauft und es in den Osten gebracht.
Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles? Falsch! Silber hat die DDR zu dieser verzweifelten Maßnahme getrieben, Silber brauchte die Industrie, kein Gold.
Die Zahlen in den Quellen schwanken, also lassen Sie mich bitte mit einer Abschätzung arbeiten. Es seien 50.000 Tonnen Silber derzeit frei verfügbar, also etwa die zweieinhalbfache Jahresförderung. Dies wären 1,6 Milliarden Unzen, bei 30 US-Dollar die Unze also 48 Milliarden Dollar. Nehmen wir nun jemanden, der richtig viel Geld besitzt. Nicht Bill Gates oder Warren Buffet, sondern jemanden, der richtig reich ist, der beispielsweise “Volksrepublik China” heißt. Wir reden von 2.500 Milliarden Dollar, also genug, um das verfügbare Silber 125mal aufzukaufen. Da sollte doch…
Nein.
Den Silbermarkt in die Enge treiben, neudeutsch “cornern”, wurde 1980 tatsächlich versucht. Amerikanische Milliardäre, die Herren Nelson und Bunker Hunt, haben ihre letzten Cents zusammengekratzt und gekauft, was immer an Silber zu haben war. Damals stieg der Silberpreis auf 50 Dollar pro Unze, ein Wert, der seither nie wieder erreicht wurde, nicht nominal und schon gar nicht nach der Kaufkraft. Die Herren Hunt sind damals “geplatzt”, mußten ihr Silber herausrücken und haben größere Teile ihres Vermögens verloren.
Was war geschehen? Silber wurde sehr teuer und viele Menschen haben sich ihres Tafelsilbers erinnert. Das komplette, eindrucksvolle Tafelservice der Urgroßeltern hatte sich auf ein Dutzend Erben verteilt, von denen keinem an der Hinterlassenschaft allzu viel gelegen war, also hat man das Silber versilbert. Oder besser, gegen Papier eingetauscht. Komplettbestände waren durch ihren Sammlerwert besser geschützt, Einzelstücke landeten erbarmungslos in den Scheideanstalten.
Sie hängen an Ihrem Ehering? Er hat 150 Euro gekostet? Ich biete Ihnen 500! Nein? Wie wäre es mit 1.000? Immer noch nicht? 2.000? 5.000? Sie können ruhig pokern, wenn die Blase platzt, ist Ihr Ehering wieder 180 Euro wert, mehr nicht. Sie dürfen ihn gerne behalten!
Mit dem Silber würde es genauso passieren: Je mehr Geld geboten wird, desto eher werden sich Leute von ihrem Silberbestand trennen. Der vergessene Silberlöffel im Besteckkasten ist plötzlich ein Wertobjekt, es lohnt sich, alte, als ausgebeutet angesehene Bergwerke wieder anzufahren, für Schmuck werden hohe Preise bezahlt. Womöglich werden sogar alte Negative oder Dias kostenlos digitalisiert, um daraus die winzigen Mengen Silber zu gewinnen – bei genügend hohen Preisen ist alles möglich. Nicht einmal China hat genug Geld, um alles Silber dieser Welt aufzukaufen.
Der Versuch ist allerdings nicht strafbar, sondern äußerst lobenswert, zumindest in den Augen derer, die bereits ansehnliche Mengen Silber besitzen. Wobei sich dieses “ansehnlich” nach den Vermögensverhältnissen richtet, es können ein paar hundert Gramm sein oder ein paar hundert Tonnen.
Die Gebrüder Hunt haben damals drei Fehler gemacht: Zum ersten haben sie “Ich kaufe alles!” gespielt, wodurch die Preise rasant anstiegen und jeder sein Silber zusammengekratzt hat. Zum zweiten haben sie angesagt, was sie vorhatten, also der Konkurrenz ihre Strategie verraten. Zum dritten haben sie auf Kredit gekauft, um so einen größeren Hebel zu bekommen. Kredit treibt ein Perpetuum Mobile an – ich kaufe Silber, verpfände es für Geld, mit dem ich weiterhin Silber kaufe, den Preis in die Höhe treibe, mir mehr Geld leihen kann, um noch mehr Silber zu kaufen. Wenn die Blase platzt, geht es jedoch genauso konsequent in die andere Richtung: Mein Kredit wird fällig gestellt, ich muß Silber auf den Markt werfen, die Preise sinken, mein verpfändetes Silber verliert an Wert, weitere Kredite werden fällig gestellt – bis zur völligen Pleite.
Wenn die Chinesen kaufen, müssen sie es vorsichtig tun, ein paar Tonnen hier, ein paar Zentner da, niemals mit “ich kaufe alles” oder “Geld spielt keine Rolle”. Wenn gewöhnliche Milliardäre China überbieten, dann ist das eben so. Im Ergebnis steigt der Silberpreis langsamer an, doch er steigt stetig. China bekommt sein Silber günstiger, als wenn es einen Wettlauf um die letzten Krumen anzetteln würde. Und natürlich ist es besser, wenn ein Aufkäufer mit “Gottfried Kutscherer” oder “Hong Park” unterschreibt, anstatt mit “Volksrepublik China”.
Außerdem treibt die Inflationsangst den Preis von Gold und Silber. Kleinanleger können sich gerade eine Unze Gold leisten, aber 40 Unzen Silber, was also werden sie kaufen? Das sind vergleichsweise Sandkörner, aber wenn jeder Besucher 40 Sandkörner mitnimmt, ist irgendwann sogar der Sand der Sahara abgetragen. Denken Sie außerdem daran, daß Silber anders als Gold nicht nur dumm herumliegen kann, sondern richtig arbeiten. Silber wird also gebraucht, ganz ohne die Geldanleger. Silber wird folglich weiter steigen.
Oh ja, wenn die Weltwirtschaft zusammenbricht, fragt die Industrie weniger Silber nach. Und ja, wenn in einer Währungsreform die Ersparnisse vernichtet werden, fallen die Kleinanleger aus. Jeder kann ein paar Szenarien konstruieren, die dazu führen, daß die Silberpreise einbrechen. Es gibt jedoch nur ein Szenario, in dem Gold und Silber völlig wertlos werden: “Mad Max”, der völlige Zusammenbruch der Zivilisation, wenn es ums nackte Überleben geht. Drei Jahre später bekommen Sie für Gold und Silber wieder alles, sobald ein Mindestmaß an Zivilisation wieder zurückgekehrt ist. Bündelweise Euroscheine besitzen dann immer noch gerade ihren Heizwert.
Wenn Sie heute Silber kaufen, investieren Sie in einen enger werdenden Markt. Sie kaufen etwas, das weder durch Inflation noch durch Mäuse aufgefressen wird. Was wollen Sie sonst mit Ihrem Geld machen? Sparbuch? Ist in der nächsten Währungsreform weg. Riesterrente? Sehr patriotisch! Was übrig bleibt, nachdem Banken und Versicherungen ihren Anteil abgegriffen haben, lagert vor den gierigen Augen des Staates. Wenn der wirklich Geld braucht, vergreift er sich daran, das erleben wir gerade in ganz Europa, von Ungarn bis Frankreich. Aktien? Viel Glück! Wenn Sie an professionelle Geldvernichter wie “Ron Sommer”, Jürgen Schrempp oder Thomas Middelhoff geraten, schmilzt Ihr Geld weg wie ein Schneemann bei einem Frühlingsausbruch.
Gold und Silber des attischen Bundes, des römischen Reiches, des Kalifen von Bagdad – diese Staaten sind verschwunden, aber das Metall hat nach wie vor einen ganz realen Wert, nicht nur einen archäologischen. Versprechen und Titel dieser versunkenen Reiche, alte Verträge bedeuten nichts mehr. Hundert Jahre altes Papiergeld ist wertlos, zweitausend Jahre altes Silber noch immer Reichtum.
Wenn Sie in einem knappen Markt Silber kaufen wollen, tun Sie es jetzt. Wenn Sie gar keines haben, investieren Sie die Hälfte Ihres Vermögens sofort und warten mit dem Rest auf günstige Gelegenheiten. Wenn Sie schon bestückt sind, halten Sie sich bereit. Eine günstige Gelegenheit wird es noch geben: Am Tag, an dem der Euro stirbt. Was immer danach kommt, es wird zuerst im Wert steigen, dann heißt es einsteigen, bevor es endgültig abstürzt.
Was Sie kaufen sollten? Gold ist teuer, dafür ohne Mehrwertsteuer. Auf Silbermünzen – auch Ein-Kilo-Münzen – bezahlen Sie NOCH 7% Mehrwertsteuer, auf Barren und “historische” Münzen, wie meine geliebten Maria-Theresia-Taler, bezahlen Sie 19%. (In Österreich bezahlen Sie 20% Mehrwertsteuer, die Sie als Ausländer erstattet bekommen. Dafür fällt bei Einfuhr die BRD-Mehrwertsteuer an.) Silber hat auf alle Fälle das größere Wertsteigerungspotential, denn Silber arbeitet, während Gold nur herumliegt.
Ganz ohne Mehrwertsteuer bekommen Sie Zertifikate. Das sind wunderhübsche Papiere, auf denen steht, daß ein Anderer mit Ihrem Geld Gold oder Silber gekauft hat. Wenn Sie diesen Käufer gefesselt und geknebelt unter Ihrer Matratze liegen haben, wird der Ihnen dieses Gold und Silber auf Wunsch gerne aushändigen. Wenn nicht, bekommen Sie womöglich ein Problem. Ob Sie den Herrn oder die Dame noch einmal sehen werden, wenn es darauf ankommt, ist höchst ungewiß. Lassen Sie das Zertifikat rahmen und hängen Sie es an die Wand, dann haben Sie noch etwas davon.
Gold und Silber muß man physisch besitzen. Ich wiederhole: be-sitzen! Sie müssen darauf sitzen, es im direkten Zugriff haben, denn nur dann ist das wirklich IHR Gold und Silber. Lagern Sie es im Bankschließfach, kann es durchaus passieren, daß dieses Gold und Silber weg ist und die Bank Sie großzügig entschädigt – mit Papiergeld, das womöglich nicht allzu lange etwas wert sein dürfte. Das ist wie mit den Bienen und dem Honig – der gute Honig ist weg, das billige Zuckerwasser dürfen die Bienen behalten.
Vielleicht ist es ein Jahrhundert-Investment, obwohl man das frühestens in 90 Jahren beurteilen kann. Auf jeden Fall ist der Kauf von Gold und Silber eines: die Rettung für Ihr Geld, die Sicherung für Ihr Alter. Wenn Sie heute kaufen, kaufen Sie in einem knapper werdenden Markt. Wenn Sie zu lange warten, werden Sie zwar immer noch Silber bekommen – aber fürs gleiche Geld viel weniger als heute. Es wird also Zeit! [Quelle: Michael Winkler]