Bloße Kritik nützt meistens wenig, wenn es darum geht, konkrete Aufgabenstellungen anzugehen und zu lösen. Auf meinen letzten Artikel Zum Versagen der Theoretiker-Partei “Partei der Vernunft” hin erhielt ich die Rückfrage, ob das nun als endgültige Abrechnung zu verstehen sei. Deshalb möchte ich auf mein eigentliches Anliegen, das hinter der Kritik stand, nochmal konstruktiver eingehen:
Ich hatte bereits den Denkansatz angesprochen, auch beim Auftreten einer politischen Bewegung die Gesetzmäßigkeiten des Marketings zu berücksichtigen. Für Menschen, die selbst als Angestellte tätig sind, aber auch für etliche Selbständige oder in anderen Tätigkeitsarten Arbeitende mag das etwas seltsam wirken. Warum nun unbedingt Marketing in diesem Zusammenhang? Warum nicht einfach bei den Inhalten bleiben und diese so ehrlich und klar wie möglich herüberbringen?
Warum Marketing in der Politik?
Deshalb ein einfaches Beispiel: Nehmen wir einen Unternehmer, der primär ein bestimmtes Produkt auf den Markt bringt und von diesem lebt. Man stelle sich vor, sein Marketing funktioniere nicht. Das hätte zur unvermeidlichen Konsequenz, daß er scheitern würde. Für ihn würde es eine tiefgreifende, existenziell bedrohende Wirkung haben. Vielleicht würde er bankrott gehen, vielleicht wäre er auf lange Frist verschuldet, vielleicht sogar so verschuldet, daß er sein ganzes Leben lang für diese Schulden würde bluten müssen. Wer diese Situation nicht kennt, weiß auch nicht, was die Abhängigkeit von einem derartigen Angebotskonzept bedeutet. Er kann ja sein Geld immer noch irgendwie anders verdienen.
Der zweite wichtige Punkt ist: Was bedeutet in unserem Beispiel überhaupt das Wort “Marketing”? Eben nicht einfach nur “Werbung”, “Reklame”, Annoncen aufgeben, Briefe schreiben usw. Marketing bedeutet, daß zu dem vermarkteten Produkt bzw. zu der vermarkteten Dienstleistung ein etwa mit demselben kreativen und organisatorischen Aufwand entwickeltes und durchgeführtes Systemkonzept vorhanden sein muß. Dieses Systemkonzept lanciert besagtes Angebot auf dem Markt. Es muß die Reaktionen der Kunden genau vorhersehen und einkalkulieren können. Mit einem Probieren aufs Geratewohl hat das nichts zu tun. Man muß die psychologischen und sozialen Gegebenheiten kennen und sich darauf einstellen. Anders gesagt: Man muß das gesamte eigene Angebot mit den Augen des Gegenübers sehen können. Dies ist eine Leistung, die meiner Beobachtung nach nicht einmal 1% aller Berufstätigen und Unternehmer beherrschen. Nur wer seine Perspektive derart herumdrehen kann, wird auf Dauer auch Erfolg mit seinem Angebot haben. Es sind diese Bereiche, in denen sich alles entscheidet. Und es hat nichts mit der Qualität des Angebots zu tun. Es hat etwas mit der geistigen Flexibilität des Unternehmers zu tun, und zu einem großen Teil auch mit seiner Fähigkeit, eigene vordergründige Interessen, die zumeist aus Eitelkeit, Stolz und Selbstgerechtigkeit gespeist sind, hintanzustellen.
Ich merke, ich könnte noch viel mehr darüber schreiben. Aber das hier soll jetzt kein Grundkurs in Marketing werden. Es soll einfach nur ein Gefühl dafür vermitteln, daß es wichtige Dinge gibt, ohne die man nichts “an den Mann bringen” kann. Und nun zu meiner Kernaussage: Auch in der Politik gelten diese Gesetzmäßigkeiten. Meiner Beobachtung nach gelten sie dort sogar mindestens so sehr wie im Geschäftsbereich. Einfach weil in der Politik praktisch alles Psychologie ist (man könnte es auch, nicht unberechtigt, Propaganda nennen). Nicht die Sache (das Thema, das Denken darüber, das Produkt etc.) entscheidet, sondern die Vorstellung, die der Adressat, also der Kunde oder Wähler, davon in seinem Kopf hat. Wer diese Vorstellung ansprechen kann und dazu ein Angebot zur Verfügung stellt, bekommt eine positive Reaktion. Wer mit seinem Angebot aber irgendwo auf weiter Flur dasteht und hofft, daß der Adressat dann die vom Anbietenden selbst gehegte Idee ebenfalls in seinem Kopf haben möge, der wird ohne Resonanz verkümmern. Und schlicht und einfach wird pleite gehen (bzw. im politischen Bereich des entsprechende Äquivalent erleben).
Marketing in der Politik betreibt — ganz ähnlich wie beim kaufmännischen Bereich — “Marktforschung” in dem Sinne, daß man sich ein genaues Bild vom “Bedarf” der “Klienten” (hier: der Wähler) machen muß. Man muß die “Marktlücke” finden. Das ist zumeist eine latente Stimmung, die von den anderen “Anbietern” (Parteien) nicht hinreichend aufgegriffen und mit Lösungsangeboten beantwortet wird. [weiterlesen] MUST READ