Peter Ziemann – Bullionaer.de – 21.02.2011
Wegen Presidents Day waren die Aktien- und Bond-Märkte in den Vereinigten Staaten heute geschlossen. Der Edelmetall-Handel an der New Yorker COMEX fand aber uneingeschränkt statt.
Gold konnte heute die Marke von $1.400 praktisch problemlos nach oben durchstoßen. Aber erneut war der Favorit der Markt-Teilnehmer Silber, welches heute auf fast $34 anstieg. Wie an den vergangenen Handels-Tagen stieg das weiße Metall erneut um über 100 Cent an – pro Tag versteht sich.
Beim Silber können wir seit 19. Januar 2011 die merkwürdige Situation beobachten, dass die sogenannten Silver Forward Rates (SIFO) negativ sind. Das heißt man kann sich Silber zu einem negativen Zinssatz in US-Dollar leihen. Nach Ablauf dieses sogenannten Swap-Geschäfts gibt man das Silber an den Ausleiher zurück und erhält dafür den am Anfang des Geschäfts vereinbarten Swap-Kurs minus der vereinbarten Zinsen für das Geschäft zurück. Heute ist dieser Negativ-Zinssatz auf 0,6125 Prozent p.a. für einmonatige bis 0,6 Prozent p.a. für 12-monatige Ausleihungen angestiegen. Am vergangenen Freitag betrug dieser Zins-Spread noch 0,36 Prozent. Einen Tag zuvor (Donnerstag) sogar nur 0,096 Prozent / 0,14 Prozent.
Wie funktioniert nun ein solches Swap-Geschäft konkret?
Partei A hat 10.000 Unzen Silber, die es für einen Zeitraum von 12 Monaten an Partei B verleihen möchte. Für dieses Geschäft berechnet Partei A eine Leihgebühr von zwei Prozent. Bei dieses Geschäft beträgt die Silver Forward Rate (SIFO) nun also zwei Prozent.
Ausgangssituation: Partei A hat 10.000 Unzen Silber, Silber kostet derzeit $10 / Unze, Partei B zahlt für das Leihgeschäft zwei Prozent des derzeitigen Wertes von Silber – also $2.000.
Erste Stufe: Partei A überlässt Partei B die 10.000 Unzen Silber mit der Vereinbarung, dass nach 12 Monaten Partei B an Partei A das Silber zurückgibt und Partei A dafür einen Betrag von $2.000 als Leihgebühr von Partei B erhält.
Zweite Stufe: Am Ende der Laufzeit wird das Geschäft in umgekehrter Reihenfolge abgewickelt und Partei A erhält von Partei B sein Silber zurück. Dafür erhält Partei A die vereinbarte Leihsumme von $2.000 durch Partei B.
Dieses Geschäft macht für Partei B auf den ersten Blick nun keinen Sinn. Denn das Silber muss gelagert werden und am Ende sind $2.000 fällig. Nun betrage aber beispielsweise der Zinssatz für einjährige Dollaranlagen fünf Prozent. In diesem Falle verkauft Partei B das von Partei A erhaltene Silber für $10 / Unze und legt die $100.000 für fünf Prozent ein Jahr lang an. Am Ende der Laufzeit muss Partei B das Silber am Markt zurückkaufen – bei unverändertem Preis von $10 / Unze ebenfalls für $100.000. Aber Partei B erhält Zinsen auf seine Dollar-Anlage i.H.v. $5.000 gutgeschrieben, muss davon aber $2.000 an Zinsen Partei A zahlen. Der Reingewinn des Swap-Geschäfts beträgt für Partei B also $3.000.
Partei A spart sich für 12 Monate die Lagerkosten für das Silber und erhält $2.000 an Zinsen. Trägt aber das Konkurs-Risiko von Partei B, wenn diese das Silber nicht mehr zurückgeben kann.
Der Verkauf des Silbers zu Beginn des Geschäfts kann bei entsprechendem Volumen den Silber-Preis kräftig einbrechen lassen, da ein zusätzlicher Verkäufer auf den Markt tritt. Angenommen Partei B kann zu Beginn des Geschäfts Silber für durchschnittlich $9 / Unze verkaufen ($10 / Unze beim Verkauf der ersten Tranche, $8 / Unze beim Verkauf der letzten Tranche), erhält also $90.000 und kann das Silber für $8 / Unze nach 12 Monaten wieder zurückkaufen, dann hat diese Partei allein aus diesem Geschäft einen zusätzlichen Erlös von $10.000 erzielt. Hinzu kommt der Zinssatz aus $90.000 Anlagen von $4.500 minus der vereinbarte SIFO von $2.000. Der Gesamterlös beträgt also $10.000 + $4.500 ./. $2.000 = $12.500.
Steigt Silber dagegen, dann wird das Geschäft für Partei B mit dem Zuwachs des Silber-Preises zunehmend unattraktiv. Das ist das Risiko für Partei B aus diesem Geschäft.
Um einer Partei B nun den Silber-Verkauf durch Swap-Geschäfte attraktiv zu gestalten, bedarf es also eines möglichst hohen Differenz-Betrags zwischen SIFO und den Zinsen, die am Geldmarkt zu erzielen sind (z.B. LIBOR). Die Profitabilität dieses Carry Trade-Geschäfts berechnet sich also aus der Differenz LIBOR ./. SIFO – verwirrender weise auch als Leasing Rate bezeichnet. Je höher diese Differenz, desto attraktiver ist das Carry Trade-Geschäft für Partei B.
Da am Geldmarkt aber nur Zinsen von weit unter ein Prozent p.a. zu erzielen sind, müssen eben die SIFO-Sätze von der Partei A soweit gesenkt werden, dass Partei B diese wegen des steigenden Silber-Preises sowieso schon sehr gefährlichen Geschäfte überhaupt einzugehen wagt.
Welche Partei A ist nun aber so blöd, sein Silber zu einem negativen Zinssatz zu verleihen – das heißt am Ende des Swap-Geschäfts Partei B sogar noch Zinsen zu bezahlen? Entweder die Notenbanken selbst (mit ihren Goldreserven) oder die Gold-Kartell Banken, die sich der Silber-Vorräte beispielsweise der ETFs, die in ihren Kellern gelagert werden, eigenhändig bemächtigen.
Die Situation ist also ein Hinweis darauf, dass (a) die letzten wohl noch physisch existenten Silber-Vorräte mobilisiert werden sollen, um durch kurzfristige Verkaufs-Geschäfte den physischen Markt zu beruhigen. Und (b) der Anreiz für die durchführenden Banken zu solchen Carry Trade-Geschäften immer attraktiver gestaltet werden muss, damit diese wegen der steigenden Notierungen überhaupt noch solche Geschäfte durchführen wollen.
Das sieht schon sehr nach einer Verzweiflungs-Tat aus. [Autor: Peter Ziemann]
Vielen Dank für die ausführliche Beschreibung, Herr Ziemann!
Da es offensichtlich Verständnis-Probleme gibt, hier noch eine Kurz-Beschreibung eines Swap-Geschäft:
- Leihe: A verleiht B Silber zu 2% für ein Jahr.
- Swap: B verkauft das Silber am Markt und legt den Erlös zu 5% Zins an.
- Auflösung: Nach einem Jahr muss B das Silber am Markt zurück kaufen und an A, nebst 2% Zins, zurückgeben.
- Vorteil für A: Ersparnis der Lagerkosten und 2% Zins.
- Nachteil für A: falls B bankrott geht, muss A schauen, wie er sein Silber zurück bekommt.
- Vorteil für B: 3% Zins auf den Verkaufspreis plus Differenz zwischen Verkaufs- und Rückkaufspreis des Silbers.
- Auswirkungen für Silber-Anleger: Preis sinkt zum Zeitpunkt des Verkaufs und steigt beim Rückkauf.
- Warum verleiht A sein Silber, obwohl er (bei negativen Lease-Rates) drauf zahlt? Weil er um jeden Preis Silber unten halten muss!